Wie bist du in die Welt der Hörspiel- und Audioproduktion eingestiegen? Gab es ein bestimmtes Ereignis oder eine Phase in deinem Leben, die diesen Weg geebnet hat?
Also da gabs zwei "Auslöser": Zur Audioproduktion bin ich gekommen, weil ich als 15jähriger in einer Band mitgespielt habe und wir uns selbstverständlich dann auch ziemlich bald selbst aufnehmen wollten, um eigene CDs zu produzieren. Und als Landei blieb einem da nichts anderes übrig, als sich das selbst reinzuknien. Und zum Hörspielmachen gekommen bin ich letztlich durch einen ganz konkreten Auslöser bzw. Anlass: ein Kurzhörspiel-Wettbewerb vom WDR. Auf einer Studentenparty hatte mir jemand davon erzählt und da hatte ich dann irgendwie spontan Feuer gefangen und so ist dann 2008 mein erstes eigenes Hörspiel sehr zielstrebig entstanden - und wurde dann dankenswerterweise auch direkt als einer der Gewinner-Hörspiele des Wettbewerbs gekürt. Ich glaube der Preis war, dass das Hörspiel im "richtigen" Radio bei 1LIVE gesendet wurde. Das hat dann viele folgende Schritte ausgelöst....
Welche Aspekte der Hörspielproduktion faszinieren dich am meisten? Ist es eher das kreative Erzählen von Geschichten oder die technische Seite der Umsetzung?
Auf jeden Fall eine Mischung aus beidem. Ehrlich gesagt, ändert sich das auch immer wieder. Oder es hängt vielleicht auch vom Stoff oder der Produktion ab. Aber ich finde es immer noch geradezu magisch, wenn bei den Sprachaufnahmen die Skript-Texte zum Leben erweckt werden und dann in der Postproduktion durch Audioeffekte wie Raumhall und Atmo-Geräusche das ganze noch plastischer und immersiver wird. Und das manchmal mit ganz einfachen Kniffen (lacht).
Eine Reise in die Vergangenheit: Studioschnappschüsse aus Simons Laufbahn als Audioproduzent (Fotos: privat)
Welche Rolle spielt für dich die Zusammenarbeit mit Schauspielern und Sprechern? Hast du besondere Methoden, um das Beste aus ihnen herauszuholen?
Ich liebe diese Zusammenarbeit. Und wenn ich so zurückdenke: was war ich stolz, als ich das erste mal mit "richtigen" Schauspielerinnen und Schauspielern aufnehmen durfte. Bzw. damals waren es "zumindest" Schauspielstudierende. Ich muss sagen, dass man in diesem Zusammenhang eigentlich immer nur auf Leute trifft, die Bock auf die Sache haben, und das alleine erleichtert ja schon ziemlich viel. Klar sollte und muss man dann als Regisseur oder Produzent genau wissen, was man möchte. Und wenn das aus welchen Gründen auch immer mal nicht ganz möglich ist, dann wenigstens offen und ehrlich dazu stehen. Z.B. dass man diese Zeile jetzt in verschiedenen Sprechhaltungen aufnehmen möchte, weil man sich gerade noch nicht ganz sicher ist, mit welcher Musik und mit welcher Energie die Audiomontage dann gemacht werden wird. Sowieso ist das Arbeiten mit Sprecherinnen und Sprechern zu ganz großen Teilen Kommunikation und dadurch auch auf jeden Fall Psychologie. Hm, eine besondere Methode? Das hängt schon sehr von der Situation ab, z.B. wie gut ich den Menschen vor dem Mikrofon schon kenne. Aber eines fällt mir da gerade ein: ich verwende gerne eine Zielgruppen-Persona, die ich die Sprechenden dann visualisieren lasse, so nach dem Motto "Stell dir vor, die 7jährige Ella sitzt jetzt da neben dir am Tisch und hört dir gebannt zu".
Welche Herausforderungen hast du auf deinem Weg als selbstständiger Audioproduzent gemeistert, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung deines eigenen Geschäfts?
Als ob dieser Weg irgendwann mal vorbei sein würde (lacht). Ein sehr wichtiger Entwicklungsprozess war auf jeden Fall, gerade in meinen Anfängen, ein professionelles Selbstbewusstsein zu entwickeln, eines, dass ich es verdiene, für meine Arbeit bezahlt zu werden. Aber ich glaube, damit hadern insgesamt viele gerade in den künstlerischen Berufen. Für mich als Selbstständiger ist es auch wichtig zu wissen, welche Rolle ich gerade inne habe, denn es ist etwas anderes, ob ich Honorare und Budget-Rahmen am Telefon verhandle oder künstlerische und ästhetische Entscheidungen im Studio treffe. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass die Herausforderungen als selbstständiger Audioproduzent aufhören werden. Ich sag nur "KI"... wir können glaub ich im Moment noch gar nicht wirklich begreifen, was da für eine Umwälzung auf uns zu kommt. Mir hilft da jedenfalls inzwischen der Blickwinkel: irgendwie wird es (trotzdem) weitergehen.
Wie siehst du die Zukunft der Hörspiel- und Audioproduktion im Kontext der aktuellen Entwicklungen, wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz? Welche Chancen und Risiken siehst du darin?
Das ist, wie ich soeben angedeutet habe, ein riiiiieeesiges Feld. Die Chancen lauten natürlich, dass dadurch die Demokratisierung der Produktionsmittel weitergetrieben wird, was aber auch sehr eng mit einer Verwässerung von Qualität zu tun hat, durch das große Aufkommen von ki-generierten Inhalten wird es ein Übermaß an Mittelmaß geben, in erster Linie wird sehr viel von allem geben, weil es eben so viel leichter und schneller ist, etwas herzustellen. Aber die wirklichen Goldstückchen, die bisher ja auch schon gar nicht so leicht auszumachen waren, die werden dann noch ein gutes Stück mehr zu der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Große Chancen sehe ich aber eher in der Weiterentwicklung von hochspezialisierten Audio-Tools, die Dinge ermöglichen werden, die vorher nicht machbar, vielleicht auch gar nicht denkbar gewesen sind. Das finde ich schon äußerst spannend.
Gibt es bestimmte Projekte in deiner Laufbahn, auf die du besonders stolz bist oder die dich nachhaltig geprägt haben?
Das oben genannte erste Kurzhörspiel "lowcut" war so eins. Das hat sehr viele folgende Schritte in meiner Laufbahn beeinfluss bzw. ausgelöst. Aber noch mal extremer hat das mein Kurzhörspiel "Kennst du schon Ken?" im Sommer 2010 gemacht. Damit habe ich mit meinem Co-Autoren und langjährigen Freund Matthias Lang den ARD-Nachwuchswettbewerb "Premiere im Netz" gewonnen. Das hatte damals für uns Newbies einen kleinen medialen Hype ausgelöst, bei dem wir zahlreiche Presse- und Medienanfragen hatten. Das war schon sehr abgefahren. Und nicht nur für mich war das ein wichtiger Meilenstein. Ich muss gerade denken, dass unsere damalige Erzähler-Stimme Anna Sophia Lumpe damals noch in den Endzügen ihres Schauspielstudiums war und heute Vorsitzende im Deutschen Sprecherverband ist. Also ein bisschen stolz drauf bin ich da dann schon, dass ich sie damals schon hatte (lacht). Danach wurden es dann immer mehr und längere Produktionen verschiedenster Couleur. Geprägt haben mich da bestimmt auch noch einige weitere, aber ich kann schon irgendwie ganz klar sagen: ohne "Kennst du schon Ken?" wäre ich heute nicht da, wo ich bin.
Wie gehst du mit kreativen Blockaden um, insbesondere wenn du an einem neuen Hörspiel oder einer Audioproduktion arbeitest? Hast du bestimmte Strategien, um deine Kreativität wieder in Fluss zu bringen?
Uh, heikles Thema. Solche Blockaden kommen ja gerade bei Zeitmangel und anstehender Deadline um die Ecke gerannt. Pausen sind hier ganz essentiell. Das muss ja nicht direkt heißen, die Arbeit niederzulegen, aber zumindest die Stelle, an der man sich gerade abmüht und die einfach nicht flutschen will, die dann einfach mal zur Seite legen und mit was anderem weiter machen. Die klassische Nacht, die man noch mal drüber schlafen kann, die kann schon oft weiterhelfen meiner Erfahrung nach.
Gibt es bestimmte Themen oder Genres, die dich in deinen Audioproduktionen besonders ansprechen? Oder lässt du dich eher vom jeweiligen Projekt inspirieren?
Ich glaube, ich kann letztlich mit jedem Genre was anfangen. Na sagen wir, mit fast jedem. Es gibt da ja auch noch Unterschiede, ob es ein an dich herangetragener Auftrag ist oder ob es ein Herzensthema ist, das du weiter vorantreibst und dafür kämpfst, dass es irgendwo veröffentlich wird. In den letzten Jahren hat sich mein Fokus dankenswerterweise in Richtung Kinderhörspiele/hörbücher entwickelt. Das gibt mir auf jeden Fall ein Sendungsbewusstsein, einen Sinn in meinem Medienschaffen. Ich finde es als Hörspielmacher sehr befriedigend, mitzubekommen wenn Kinder die Hörspiele rauf- und runterhören und danach mit glänzenden Augen erzählen, was sie jetzt alles neu erfahren haben. Und klar, dass ich Vater von zwei Söhnen, aktuell im Kindergarten- und Grundschulalter, bin, trägt auch noch seinen Teil dazu.
Wie hat dich das Vatersein in deiner Arbeit als Hörspielproduzent beeinflusst? Fließen deine Erfahrungen mit deinen Söhnen in deine Projekte ein?
Mit Sicherheit tun sie das. Aber in erster Linie hat es mich dahingehend beeinflusst, dass ich über meine heranwachsenden Söhne das Hörverhalten von Kindern und das Angebot an Kinderhörmedien aus erster Hand kennenlerne. Und natürlich will ich am Ende, wenn ich ein Hörspiel für Kinder produziere, dass es meinen Söhnen auch gefällt (vorausgesetzt es fällt in deren Interessenpool).
Zum Abschluss: Was würdest du jungen Menschen oder angehenden Audioproduzenten raten, die ihre ersten Schritte in der Branche machen wollen? Gibt es etwas, das du aus deiner Erfahrung weitergeben möchtest?
Die Branche ist zu riesig und zu heterogen als dass man da verallgemeinernd etwas sagen könnte. Aber was auf jeden Fall auch in unserer Branche definitiv hilft, ist eine Faszination und Leidenschaft für das Auditive mitzubringen. Ich finde nach wie vor: man hört am Ende, ob der oder diejenige Bock beim machen hatte. Audio generell boomt ja seit einigen Jahren. Der Audiomarkt erfreut sich u.a. auch durch Hörbücher und Podcasts einem stetige Wachstum. Sprich, es lohnt sich da auf jeden Fall, sich für diese Branche zu interessieren. Mit dem Blick auf die Zukunft kann es aber gut sein, dass wir uns durch KI von einigen traditionellen Berufsbildern verabschieden werden müssen. Dafür werden neue Berufsbilder auftauchen. Und um diese zu erkennen, lohnt es sich, die Augen und Ohren offen zu halten!
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